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11. Juni 2024

Seit Jahren beklagt sich die Justiz in Nordrhein-Westfalen über unbesetzte Stellen und große Schwierigkeiten, Nachwuchs zu gewinnen. So räumte der nordrhein-westfälische Justizminister Dr. Benjamin Limbach Ende letzten Jahres noch ein, dass über 110 Stellen allein bei der Staatsanwaltschaft unbesetzt sind, und forderte zudem zusätzliche Stellen ab 2024, um die über 200.000 unerledigten Ermittlungsverfahren – Tendenz steigend – zu bearbeiten.

Trotz dieser massiven Nachwuchsprobleme in der Justiz wurde Ende Mai 2024 bekannt, dass die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen für das kommende Haushaltsjahr drastische Kürzungen bei den Einstellungen in den juristischen Vorbereitungsdienst plant. Gleichzeitig erfuhren Absolvent:innen der ersten Prüfung, die sich für den juristischen Vorbereitungsdienst in Nordrhein-Westfalen beworben haben, schon jetzt, dass ihr voraussichtlicher Einstellungstermin um bis zu sechs Monate nach hinten verschoben wurde. Gegen die Stellenkürzung richtet sich eine gemeinsame Petition der Referendariatskommission (RefKo) beim Bundesverband rechtwissenschaftlicher Fachschaften e.V. (BRF) und der Landesfachschaft Jura Nordrhein-Westfalen e.V. (LFS NRW).

Der juristische Vorbereitungsdienst, auch Rechtsreferendariat genannt, ist ein zwei Jahre langer Ausbildungsabschnitt, der sich an das Studium der Rechtswissenschaft anschließt. Nach dem überwiegend theoretischen Studium liegt der Schwerpunkt des Rechtsreferendariats in der praktischen Ausbildung der Rechtsreferendar:innen. Wer das Rechtsreferendariat abschließt und die zweite Staatsprüfung besteht, ist „Volljurist:in“ – zwingende Voraussetzung, um als Richter:in, Staatsanwält:in oder Rechtsanwält:in zu arbeiten.

Ausgehend von den Zahlen, die das Landesjustizprüfungsamt der Referendariatskommission auf Nachfrage vorlegte, plane man nun in einem ersten Schritt, die Anzahl der Referendariatsstellen bereits zum Januar nächsten Jahres von momentan ca. 3.800 auf 3.300 zu senken. Perspektivisch sollen die Ausbildungsstellen um ca. 20 Prozent, auf insgesamt nur noch 3.000 Stellen reduziert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Einstellungen umgehend – beginnend ab Juli 2024 – deutlich zurückgefahren. Dies bedeutet längere Wartezeiten für angehende Rechtsreferendar:innen, die sich teilweise bereits im Bewerbungsprozess befinden und sich auf die bisher üblichen Wartezeiten eingestellt haben.

Anlass für die Stellenreduzierung ist das aktuelle Haushaltsaufstellungsverfahren für 2025. Die schwache Konjunktur hinterließe auch Spuren in Nordrhein-Westfalen und führe zu engeren finanziellen Rahmenbedingungen, die es nötig machen würden, auch im juristischen Vorbereitungsdienst zu sparen und die Zahl der Einstellungen zu begrenzen.

Mit der Anfang diesen Monats gegen die Sparpläne gestarteten Petition der RefKo und LFS NRW wurden schon innerhalb der ersten 24 Stunden mehr als 1.500 Unterschriften gesammelt. Mittlerweile wurde die Petition von rund 3.700 Personen unterschrieben, welche sich gegen die Kürzung der Ausbildungsplätze im juristischen Vorbereitungsdienst aussprechen.

Justine Börngen, Mitglied der RefKo und Referendarin am LG Duisburg, kritisiert die geplanten Einsparungen: „Egal wie angespannt die Haushaltslage in Nordrhein-Westfalen ist: Sie darf nicht dazu führen, dass in der juristischen Ausbildung gespart wird, egal ob quantitativ oder qualitativ. Insbesondere nicht, wenn wir unmittelbar vor einer so großen Pensionierungswelle stehen und bereits jetzt ein enormer Mangel an juristischem Nachwuchs besteht.“

Timeela Mandandhar, ebenfalls Mitglied der RefKo und Rechtsreferendarin am LG Bochum, führt aus: „Die geplanten Sparmaßnahmen betreffen nicht nur den juristischen Nachwuchs, sondern wirken sich mittelfristig auch auf die Funktionsfähigkeit der Justiz insgesamt aus. Der bereits bestehende Personalmangel führt zu langen Verfahren für alle Bürger:innen. Wenn Nordrhein-Westfalen jetzt weniger Jurist:innen ausbildet, verschärft sich das Problem, mit der Folge einer weiteren Schwächung der Justiz.“

Frederik Janhsen, Vorsitzender der LFS NRW, ergänzt: „Die Reduzierung der Referendariatsstellen und auch die damit verbundene Verschiebung der Einstellungszeiträume senken zudem die Attraktivität Nordrhein-Westfalens als Ausbildungsstandort der Justiz. Wir fordern die Landesregierung auf, einen Haushaltsentwurf vorzulegen, der keine Kürzungen der Mittel für die juristische Ausbildung vorsieht.“

Die Referendariatskommission beim Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. wurde 2023 gegründet. Als Interessenvertretungen der Rechtsreferendar:innen steht sie im Austausch mit den Personalvertretungen der Rechtsreferendar:innen in den Ländern und wirkt bundesweit auf Verbesserungen im juristischen Vorbereitungsdienst sowie in der zweiten Staatsprüfung hin. Die Landesfachschaft Jura Nordrhein-Westfalen e.V. ist die Interessensvertretung der Jurastudierenden der sechs Präsenszuniversitäten in Nordrhein-Westfalen.