04. August 2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e. V. (BRF) begrüßt die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Anpassung des niedersächsischen JAG an das DRiG. Dadurch wird den im letzten Jahr vorgenommenen, und vom BRF unterstützten Änderungen des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) Rechnung getragen. Bevor auf die jeweiligen Gesetzesänderungen im Einzelnen eingegangen wird, möchte der BRF aber noch darauf hinweisen, dass das Jurastudium im Ganzen unbedingt reformbedürftig bleibt. Dies zeigen regelmäßig die vom BRF durchgeführten Umfragen unter Studierenden, wie zum Beispiel diejenige zum psychischen Druck, in der über 2/3 aller teilnehmenden Studierenden aussagten, dass sie das Jurastudium in der derzeitigen Form nicht weiterempfehlen würden. Die Anpassungen in der Jurist:innenausbildung dürfen sich, nach Ansicht des BRF, daher nicht nur auf reine punktuelle Symptombekämpfung begrenzen, sondern müssen mittel- bis langfristig umfassende Reformen beinhalten, auf die sich alle beteiligten Statusgruppen einigen. Wir möchten in diesem Geist den Bund, die Länder, die Fakultäten und die Berufsgruppen, sowie alle Interessierten dazu einladen, mit uns, den Studierenden, in den nächsten Jahren in eine umfassende Reformdebatte zu treten.
Zu den vorliegenden Änderungsvorschlägen im laufenden Gesetzesverfahren (Drs. 18/10954):
Art. 1 Nr. 2: Änderung von § 1 Abs. 1 NJAG
Die Anpassung der Regelstudienzeit des rechtswissenschaftlichen Studiums einschließlich der ersten juristischen Prüfung von neun Semestern auf den in § 5 d Abs. 2 Satz 1 des DRiG in der jeweils geltenden Fassung bestimmten Zeitraum ist ausdrücklich im Sinne der Studierendenschaft. Die dort aktuell festgelegte Zahl von zehn Semestern spiegelt die tatsächliche Dauer eines juristischen Studiums viel besser wider als die vorher vorgesehenen neun Semester. Die gewählte flexible Regelungstechnik ist ebenfalls gutzuheißen: Sie gewährleistet die Rechtssicherheit und vermeidet Widersprüche zwischen Bundes- und Landesrecht. Nichtsdestotrotz weist die Ausbildungsstatistik des Bundesministeriums der Justiz eine durchschnittliche Dauer des Studiums von 10,9 Semestern aus. Es wäre in diesem Zusammenhang wünschenswert, wenn das Land Niedersachsen sich im Bundesrat dafür einsetzen könnte, die im DRiG festgelegte Regelstudienzeit im Zweifel sogar noch etwas zu erhöhen, um der tatsächlichen Studiendauer von knapp 11 Semestern Rechnung zu tragen. In jedem Fall sollte es aber zu keiner Verringerung der jetzigen Regelung von 10 Semestern kommen. Gerade bezüglich des mit der Regelstudienzeit verbundenen BAföG-Anspruchs, ist die Festsetzung dieser ein elementarer Hebel für die Chancengleichheit in der juristischen Ausbildung. So kann es auch Studierenden, die sich ein über fünfjähriges Studium sonst nicht leisten können, ermöglicht werden, erfolgreich die juristische Ausbildung abzuschließen. Die mit der Regelstudienzeit ebenfalls verbundene Regelung der Berechnung des Zeitpunkts, an dem Langzeitstudiengebühren erhoben werden, erscheint dem BRF plausibel und nachvollziehbar.
Art. 1 Nr. 3: Änderung von § 3 NJAG
Im Hinblick auf die Konkretisierung der Pflichtfächer, der Grundlagen und der Inhalte des Studiums stimmt die Position des BRF mit dem Gesetzesvorschlag überein. Hervorzuheben ist die Einbeziehung der Auseinandersetzung mit nationalsozialistischem Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur, für die sich der BRF auf Bundesebene gemeinsam mit anderen studentischen Initiativen über Jahre hinweg eingesetzt hat. Auch die Stärkung der sog. Grundlagenfächer und der Schlüsselqualifikationen durch den neu eingefügten Absatz 3 ist aus Sicht des BRF richtig. Genau das wünscht sich die Mehrheit der Studierenden. Eine verbesserte Vermittlung der rechtswissenschaftlichen Methodik, des „Handwerkszeugs“, und die notwendige kritische Reflexion des Rechts müssen zentrale Bestandteile des Studiums sein. Verbunden mit dieser Gesetzesänderung muss eine Ertüchtigung und Sensibilisierung der juristischen Fakultäten geschehen, die die Professor:innen und sonstiges Lehrpersonal befähigt, die im JAG vorgesehenen Inhalte auch zu vermitteln. Dazu gehören eine ausreichende finanzielle Ausstattung und der nötige Freiraum zur Ausgestaltung der jeweiligen Angebote.
Die Ergänzungen des Pflichtfachkatalogs im JAG dürfen allerdings nicht dazu führen, dass der Stoffumfang der ersten juristischen Prüfung noch weiter steigt. Bereits jetzt empfinden 2/3 der Studierenden Umfang und Anzahl der Rechtsgebiete, die Teil des Prüfungsstoffes im staatlichen Teil sind unangemessen, insbesondere angesichts der stetig wachsenden Stofffülle durch den Einfluss des Europarechts und der stetig anwachsenden relevanten Rechtsprechung. Es wäre daher wünschenswert, wenn Grundlagenfächer und kritische Auseinandersetzung mit Recht in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart inhaltlich als methodische Hilfestellung für die juristische Arbeit angesehen werden und zum Beispiel auch innerhalb der Vorlesungen materieller Rechtsgebiete vermittelt werden.
Die notwendige Reduzierung des Pflichtfachstoffes insgesamt kann und muss Gegenstand der oben beschriebenen Reformdebatte sein, ebenso wie auch die verstärkte Wertigkeit und Raum für die Grundlagen des Rechts, der kritischen Reflexion und der berufsvorbereitenden Schlüsselqualifikationen in der juristischen Ausbildung.
Art. 1 Nr. 4 und 5: Änderung von § 5 Abs. 3 und Einfügung von § 7a
Der BRF begrüßt die Anpassungen des NJAG an die Möglichkeit zur Absolvierung des Referendariats in Teilzeit, insbesondere aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit.
Gleichwohl ist hier der Charakter des BRF als Stimme der Studierenden hervorzuheben. Er setzt sich hauptsächlich mit dem Reformbedarf des juristischen Studiums und dessen Verbesserungsmöglichkeiten auseinander. Trotzdem bietet sich eine solche Regelung auch für Studierende im DRiG an: Der BRF möchte das Land Niedersachsen gerne dazu auffordern, über den Bundesrat auf eine derartige Anpassung der Regelung im § 5a Abs. 3 DRiG hinsichtlich der Studienpraktika hinzuwirken. Ein Teilzeitpraktikum könnte – gemeinsam mit der Ermöglichung von praktischen Studienzeiten während der Vorlesungszeit – zu einer deutlichen Verringerung des psychischen Drucks führen. Nicht zuletzt ist dieses Anliegen ein Teil unseres 5 Punkte-Plans, wofür wir uns gegenüber Akteur:innen in Politik und Ausbildung einsetzen.
Das Fehlen einer bundesweiten Interessenvertretung auf Seiten der Referendar:innen, die bundeseinheitlich gerade auf solche Fragestellungen aus Sicht von Referendar:innen antworten kann, ist vom BRF ebenfalls registriert worden, sodass er auf seiner letzten Mitgliederversammlung, der Bundesfachschaftentagung 2022 beschlossen hat, eine neue Referendariatsvertretung einzurichten.
Während der BRF auf diese Änderungsvorschläge gern direkt eingeht, freut er sich, dem Niedersächsischen Landtag dieses Gremium bereits heute anzukündigen, um gemeinsam an einer Verbesserung der Situation der Referendar:innen zu arbeiten.
Änderungsantrag zur Drs. 18/10954: Streichung von § 4 Abs. 3 NJAG
Grundsätzlich begrüßt die Studierendenschaft Beiträge aus der Politik, den Pflichtfachstoff zu begrenzen und so das ohnehin arbeitsträchtige juristische Studium zu erleichtern.
Mit dem Vorschlag der Streichung des § 4 Abs. 3 NJAG wird hier versucht, den Studienstandort Osnabrück positiv zu gestalten und bestehenden Abwanderungsprozesse nach NRW, vornehmlich Münster und Bielefeld, zu begegnen. Der BRF bezweifelt, dass sich das hier gewählte Mittel diesen Prozess aufhalten kann.
Studentische Stimmen aus Osnabrück teilen uns mit, dass die wirtschaftswissenschaftliche Orientierung der Osnabrücker Fakultät einen positiven Einfluss auf die Berufswelt hat, weil nachgewiesene bestehende wirtschaftliche Kenntnisse positiv anerkannt würden. Der Selbstanspruch eines besonders wirtschaftsorientierten juristischen Studiums hat in Osnabrück also so eine gute Bedeutung gefunden, dass dieser USP für Osnabrücker Jurastudierende auch auf dem Stellenmarkt nicht unbemerkt geblieben ist. Ferner halte sich der Lernaufwand wegen großzügiger Planung der Klausuren in der Woche nach denen der Pflichtfächer ferner in Grenzen. Insofern kann von einer positiven Entwicklung hinsichtlich eines stress- und druckfreieren Jurastudiums durch die Abschaffung der Bedeutung der wirtschaftswissenschaftlichen Zusatzausbildung nicht ausgegangen werden.
Zudem befürchtet der BRF, dass eine Streichung aus dem NJAG lediglich zu einer Änderung des § 12 der dortigen Schwerpunktbereichsprüfungsordnung in dem Sinne führt, dass der erfolgreiche Abschluss der wirtschaftswissenschaftlichen Zusatzausbildung Voraussetzung für die Zulassung zur Abschlussprüfung des Schwerpunktstudiums wird.
Dies würde die Abwanderungs-Kaskade weiter intensivieren, da der Wechsel von der Zwischenprüfung in den Schwerpunkt vielfach den Moment des Studienortwechsels darstellt.
Viel eher sollte aus studentischer Perspektive an der Attraktivität des Schwerpunktstudiums in Osnabrück gearbeitet werden, um diesen Hochschulstandort zu fördern.
zum Antrag der FDP-Fraktion hinsichtlich der Anpassungen des Referendariats „Juristenausbildung zukunftsfest aufstellen” auf der Drs. 18/10730:
Die Implementierung der Wichtigkeit der fortschreitenden Digitalisierung, dessen Relevanz im Rechtsverkehr und die Beibehaltung von während Corona etablierten digitalen Lehrmethoden bzw. Plattformen sowie die Einsetzung eines E-Examens begrüßen wir sehr. Die Digitalisierung im Rechtsverkehr schreitet immer weiter voran. So ist Legal Tech bereits heute unabdingbar für die juristische Praxis und wird in Zukunft weiter ausgebaut, weswegen es Referendar:innen ermöglicht werden sollte sich während ihrer Ausbildung in Lehrgängen damit zu befassen.
Auch die Ausarbeitung eines Konzepts zur Einführung eines digitalen Staatsexamens unterstützen wir. Der BRF setzt sich seit einigen Jahren für die Digitalisierung des juristischen Staatsexamens ein. Die genauen Modalitäten einer digitalen Staatsprüfung, so wie wir als Studierende sie vorschlagen, beschreibt der BRF in § 33 seines Grundsatzprogrammes. Essentiell bleibt aber weiterhin, dass die juristischen Fakultäten parallel zur Entwicklung der digitalen Staatsprüfungen ebenfalls mit einer angemessenen digitalen Infrastruktur und entsprechendem Knowhow ausgestattet werden, sodass die Studierenden ab Beginn ihres Studiums das digitale Klausurenschreiben einüben können und dies so zu einer Selbstverständlichkeit wird.
Insgesamt wären die ausgearbeiteten Forderungen und Veränderungen für das Referendariat sehr begrüßenswert, obwohl Genanntes teilweise außerhalb des Tätigkeitsbereichs des BRF liegt. Dennoch sind Teile der Forderungen im Grundsatzprogramm des BRF verankert – etwa in § 17 die Digitalisierung der Lehre und in § 23 die Etablierung von Legal Tech im Studium.
Schließlich dankt der BRF im Namen der Studierendenschaft dem Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des niedersächsischen Landtages für die Möglichkeit zur Stellungnahme. Wir möchten ebenso darauf aufmerksam machen, dass die Landesfachschaft Niedersachsen-Bremen, sowie die einzelnen Fachschaften an den Fakultäten selbst Ansprechpartner:innen in der Zukunft für die Belange der niedersächsischen Jurastudierenden sein können und möchten.
Den dafür nötigen Kontakt können wir sehr gerne herstellen.
Bei Nachfragen erreichen Sie uns unter vorsitz@bundesfachschaft.de.