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20. November 2025

 „Zu viel vom Falschen, zu wenig vom Richtigen“ – so lautet das ernüchternde Fazit von Dr. Adrian Hemler und Malte Krumberg, Autoren der Studie „Die Schwierigkeit juristischer Erstexamensklausuren im historischen Verlauf. Eine Analyse mithilfe quantitativer (korpuslinguistischer) und qualitativer Methoden.“.1 In ihrem LTO-Artikel erläutern Sie die Ergebnisse ihrer Studie und zeigen, wie kritisch es um die juristische Ausbildung steht. Hemler und Krumberg haben die letzten drei Generationen an Examensklausuren in Baden-Württemberg und Hessen verglichen und ausgewertet.2 Die Resultate sind keineswegs überraschend, kommen doch Prof. Dr. Jörn Griebel (Universität Siegen) und Prof. Dr. Roland Schimmel (Frankfurt UAS) für NRW zu ähnlichen Schlüssen.3 

Die sechste Absolvent:innenbefragung des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. (BRF e.V.)4 verdeutlicht den Reformbedarf umso mehr: Nur etwa 30% der Absolvierenden sind mit dem aktuellen Studienverlauf zufrieden, von 1.835 Teilnehmenden empfinden um die 70% den Aufbau des Studiums als verbesserungswürdig, es wird etwa mehr Praxisbezug, mehr Systemverständnis und transparentere Organisation gefordert. 

Der schlechte Ruf des Jurastudiums wird maßgeblich von einem Mediananstieg von 170% unterstützt. Wo Jurastudierende heute einen Sachverhalt bekommen, der knapp 7.000 Zeichen umfasst, hatten Entscheidungsträger:innen in ihrem Studium etwa 2.500 Zeichen vor sich. Diese Entwicklung u.a. deckt sich auch mit der stetig steigenden Stoffdichte in der juristischen Ausbildung. 

Letztendlich sind es Faktoren wie diese, die dazu führen, dass 50% der Juraabsolvierenden das Studium nicht erneut bestreiten würden. Insbesondere in der Ersten Juristischen Staatsprüfung steigt auch der Druck, Sehnenscheidenentzündungen sind Berufskrankheit. Dass das E-Examen noch immer nicht an allen Prüfungsstandorten Standard ist, obwohl 85,5% sich dafür aussprechen, zeigt die Gemütlichkeit, mit der die Reform der juristischen Ausbildung bisher angegangen wurde. 

Das Studium darf sich nicht länger auf seinem hohen Prestigecharakter ausruhen, sondern muss realistisch und effektiv auf das Referendariat und den juristischen Berufsalltag vorbereiten. Man hätte bereits die Covid-19-Pandemie – eine psychische Belastungsprobe für die ganze Gesellschaft – als Weckruf erkennen können, diese Problematik endlich ernst zu nehmen. Spätestens jetzt, wo die Bundesschülerkonferenz auf die psychische Überlastung der Schüler:innen aufmerksam macht, kann sich kaum ein Studiengang mehr leisten, einen psychisch belastenden Studienaufbau anzubieten. 

Die Fakultäten liegen gemeinsam mit der Politik in der Verantwortung, die Reform anzustoßen und dem Studium den Imagewechsel zu ermöglichen, den es so dringend nötig hat. Es bedarf einer umfassenden Evaluation des Pflichtfachstoffkatalogs, um die Studieninhalte an passender Stelle zu entschlacken und mit den Aspekten anzureichern, die die juristische Arbeitsweise ausmachen. Entlastung bietet zudem der vollintegrierte Bachelor of Laws – wo schon im Studiensystem etabliert. 62% der Befragten des BRF sprechen sich deutlich für die umfassende Einführung dieses Abschlusses aus, der als kleiner Meilenstein den psychischen Druck und den „Alles-oder-nichts“-Charakter des Ersten Staatsexamens reduzieren soll. Die Befragung zeigt: 92% würden auch mit LL.B.-Abschluss die Erste Juristische Staatsprüfung antreten. Deutschlandweit integrierte LL.B.-Abschlüsse könnten dabei das Flaggschiff der großen Reform der Juristischen Ausbildung sein. 

Es braucht also praxisbezogenes Lernen, Diskussion über die aktuellen Herausforderungen des Rechtsstaats und die Vermittlung juristischer Denk-, Lese-, und Schreibtechnik, um nachhaltig interessierten Nachwuchs zu generieren. Dies wird umso wichtiger mit Blick auf die kommende Pensionierungswelle, von der auch die juristische Berufswelt nicht verschont bleiben wird. Ein effektiver Rechtsstaat kann nur dann gewährleistet werden, wenn eine attraktive juristische Ausbildung hinreichend Verantwortungsbewusstsein und Freude an der Juristerei weckt. 

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