05. November 2025
Mit der Änderung des Landeshochschulgesetzes im November 2024 hat Baden-Württemberg die Möglichkeit geschaffen, einen integrierten Bachelor of Laws (LL.B.) im Rahmen des rechtswissenschaftlichen Staatsexamensstudiengangs einzuführen. Dies war ein wichtiger Schritt in Richtung einer Modernisierung der juristischen Ausbildung und wurde von den Studierenden begrüßt. Allerdings bleibt die tatsächliche Umsetzung bislang in weiten Teilen aus.
Die Universität Konstanz hat ein solches Studienmodell zwar bereits zum Wintersemester 2025/2026 eingeführt, doch die hierfür notwendigen Voraussetzungen, insbesondere Modularisierung und Akkreditierung, erforderten erhebliche organisatorische und finanzielle Ressourcen. Und das, obwohl in Konstanz schon auf bestehende Strukturen zurückgegriffen werden konnte, da seit Einführung des Staatsexamensstudiengangs im Rahmen der Zwischenprüfung ein großes Angebot an Semesterabschlussklausuren existiert.
Anders jedoch an den Fakultäten in Freiburg, Heidelberg und Tübingen, wo dies eine kaum überwindbare Hürde darstellt. Das dort praktizierte Scheinsystem ist mit der vorgesehenen Modularisierung schwerlich vereinbar, weswegen die Einführung eines integrierten Bachelors an diesen Standorten nicht ohne tiefgreifende Eingriffe in die Studienstruktur und eine erhebliche Mehrbelastung von Lehrenden und Studierenden zu realisieren ist.
Für die Mehrheit der Studierenden in Baden-Württemberg bleibt der integrierte Bachelor daher de facto unerreichbar. Dies führt zu einer nicht hinnehmbaren Ungleichbehandlung der baden-württembergischen Studierenden gegenüber Studierenden in anderen Bundesländern, die bereits während des Studiums einen anerkannten Abschluss erwerben können. Baden-Württemberg droht dadurch, im bundesweiten Wettbewerb um Studierende dauerhaft ins Hintertreffen zu geraten. Diese Entwicklung ist angesichts der sinkenden Zahl von Bewerberinnen und Bewerbern und des Nachwuchsmangels auf dem juristischen Arbeitsmarkt besorgniserregend.
Die Einführung eines integrierten Bachelors wird von allen beteiligten Akteuren befürwortet. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, das Justizministerium Baden-Württemberg, die juristischen Fakultäten, das Landesjustizprüfungsamt und die Studierendenvertretungen teilen das Ziel, den juristischen Studiengang um einen akademischen Abschluss zu erweitern, der bereits vor der staatlichen Prüfung vergeben werden kann. Die aktuell stattfindenden konstruktiven Diskussionen zwischen den Beteiligten zur Erzielung einer zufriedenstellenden Lösung begrü.en wir ausdrücklich.
Trotz dieser Fortschritte besteht in der konkreten Ausgestaltung jedoch weiterhin Uneinigkeit. Während das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst eine Umsetzung über Akkreditierung und Modularisierung anstrebt, sprechen sich die Fakultäten aus Freiburg, Heidelberg und Tübingen für eine gesetzliche Regelung nach den Vorbildern Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen aus.
Das von den Fakultäten präferierte Modell kraft Gesetzes sieht vor, dass Studierende, die die Voraussetzungen zur Zulassung zur Ersten Juristischen Prüfung erfüllen und die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung bestanden haben, den akademischen Grad eines „Bachelor of Laws (LL.B.)“ verliehen bekommen.8 Auf diese Weise werden die im Studium erbrachten Leistungen angemessen gewürdigt, ohne zusätzliche Prüfungen oder bürokratische Hürden zu schaffen. Qualität und Vergleichbarkeit bleiben dabei durch die enge Anbindung an die Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPrO) gewährleistet.
Dies würde es allen Fakultäten in Baden-Württemberg ermöglichen, den integrierten Bachelor ohne zeit- und kostenintensive Reformen ihrer Studiensysteme einzuführen. Denn gerade die Vielfalt der juristischen Studienmodelle und die damit einhergehenden verschiedenen Möglichkeiten und Wege, in Baden-Württemberg ein Studium der Rechtswissenschaften zu absolvieren, stellen einen großen und erhaltenswerten Vorteil dar. Zugleich würde die Lösung die Fakultäten von zusätzlichen Akkreditierungsverfahren entlasten und den Fokus auf die Qualität der juristischen Ausbildung im Kernbereich des Staatsexamens wahren.
Darüber hinaus entspricht der integrierte Bachelor auch dem klar artikulierten Bedürfnis der Studierenden. Eine landesweite Umfrage unter Jurastudierenden in Baden-Württemberg9 ergab, dass über 94 Prozent der Befragten die Einführung eines integrierten Bachelorabschlusses befürworten. Mehr als 99 Prozent gaben an, dass sie trotz eines Bachelorabschlusses weiterhin die Erste Juristische Prüfung ablegen würden. Diese Zahlen belegen, dass der LL.B. keine Abkehr vom Staatsexamen bedeutet, sondern vielmehr eine sinnvolle Ergänzung darstellt.
Auch aus psychologischer und sozialer Perspektive ist die Einführung eines integrierten Bachelorabschlusses geboten. Das Jurastudium ist mit einer hohen psychischen Belastung verbunden.10 Die Möglichkeit, bereits im Verlauf des Studiums einen akademischen Zwischenabschluss zu erlangen, würde den Leistungsdruck deutlich reduzieren und den Studierenden eine wichtige Absicherung bieten.11 Denn nur so wird gewährleistet, dass alle Jurastudierenden in Baden-Württemberg für ihre erbrachten Studienleistungen einen anerkannten Abschluss erhalten.
Baden-Württemberg darf in dieser zentralen bildungspolitischen Frage nicht länger zögern. Ein für alle Fakultäten umsetzbarer integrierter Bachelor of Laws ist der notwendige nächste Schritt, um die juristische Ausbildung zukunfts- und konkurrenzfähig zu gestalten. Sie stärkt die Attraktivität des Studienstandorts Baden-Württemberg und schafft die Grundlage für eine moderne juristische Ausbildung.
Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesverband Rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg sowie den Landtag Baden-Württemberg mit Nachdruck auf, im engen Austausch mit den Fakultäten und den Studierendenvertretungen, eine für alle Fakultäten umsetzbare gesetzliche Regelung zur Einführung eines integrierten Bachelor of Laws zu schaffen.
Diese Stellungnahme wurde im gemeinsamen Interesse der baden-württembergischen Jurastudierenden durch den Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. in Kooperation mit den Fachschaften der Universitäten Heidelberg, Freiburg und Tübingen erstellt.
