06. Mai 2021
Am 7. Mai 2021 wird der Bundesrat über einen Gesetzentwurf entscheiden, der insbesondere Regelung bezüglich des Erscheinungsbilds von Beamt:innen treffen soll. Wir als Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. (BRF) befürchten, dass der Gesetzentwurf zu weit ausgestaltet ist und sein Ziel verfehlt. Diskriminierung, die durch die Gesetzesänderung eigentlich gemindert werden soll, würde so Tür und Tor geöffnet. Daher sprechen wir uns gegen den Entwurf in der aktuellen Form aus und bitten den Bundesrat, diesem nicht zuzustimmen.
Unser Grundgesetz gewährt den Bürger:innen Religions- sowie Berufsfreiheit und niemand darf aufgrund seines Glaubens diskriminiert werden. In den vergangenen Jahren haben jedoch vereinzelte Urteile dafür gesorgt, dass junge kopftuchtragende Jurastudierende an ihrer Studienwahl zweifeln und Diskriminierung aufgrund der Ausübung ihrer Religion befürchten. Auch im Zuge dieses Gesetzentwurfs traten betroffene Studierende an uns heran, die Sorgen über ihre berufliche Zukunft äußerten. Es ist nicht haltbar, dass sich junge Menschen vor der Wahl ihrer Ausbildung damit auseinandersetzen müssen, in welchen Berufsfeldern sie aufgrund ihrer Religion nicht arbeiten dürfen. Dies schränkt sie in unzulässiger Weise in ihren Grundrechten ein. Zudem erscheint es höchst fahrlässig, Beamt:innen nach äußeren Merkmalen, statt nach fachlicher Kompetenz einzustellen. Gerade in Zeiten des juristischen Nachwuchsmangels im Staatsdienst wäre eine solche Entscheidung widersprüchlich zu den tatsächlichen Bedarfen an jungen Jurist:innen.
Der Gesetzentwurf wurde mit dem Ziel verfasst, künftig eine Rechtsgrundlage für das Verbot des sichtbaren Tragens verfassungsfeindlicher, menschenfeindlicher oder diskriminierender Symbole durch Beamt:innen zu schaffen. Eine Rechtsgrundlage für ein solches Verbot zu erarbeiten, erachten wir als grundsätzlich sinnvoll. Allerdings geht der Entwurfstext des § 61 Abs. 2 BBG weit über dieses Ziel hinaus. So kann mit der Gesetzesänderung nicht nur das Tragen verfassungsfeindlicher oder diskriminierender Symbole verboten werden, sondern vielmehr könnten sämtliche Symbole unter die sehr weiten unbestimmten Rechtsbegriffe subsumiert werden. Es besteht so die Gefahr von willkürlichen Verboten sowie der Entstehung eines Flickenteppichs; zumal die jeweiligen obersten Dienstbehörden diese Verbote im Detail selbst festlegen dürfen.
Weiter sollen insbesondere Symbole verboten werden können, die aufgrund ihrer “besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen”. In der Begründung wird auf ein Urteil des BVerwG verwiesen, nachdem einem Beamten verboten wurde, sich den Schriftzug “Aloha” auf den Unterarm zu tätowieren. Es wird jedoch verkannt, dass mittlerweile ca. 25 % der Deutschen tätowiert sind. Um das eigentliche Ziel des Gesetzentwurfs zu erreichen, müsste vielmehr darauf abgestellt werden, ob die Motive verfassungsfeindliche oder diskriminierende Aussagen beinhalten.
Der Gesetzentwurf bietet auch eine explizite Rechtsgrundlage für das Verbot religiöser Symbole oder Kleidungsstücke, “wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen.” Dies bietet den einzelnen obersten Dienstbehörden etwa die Möglichkeit, das Tragen einer Kopfbedeckung aus religiösen Zwecken zu verbieten. Wann und ob eine solche Bedeckung jedoch tatsächlich die Neutralität gefährdet, ist höchst umstritten und wurde bisher nur für einzelne Tätigkeiten am Gericht bejaht. Die Gefahr, dass einzelne Religionen durch diese Verbote stärker benachteiligt werden als andere liegt nahe, zumal das Aufhängen christlicher Kreuze in bayerischen Behörden sogar verpflichtend ist. Behörden die Möglichkeit zu eröffnen, selbst festzulegen, wann die Neutralität gefährdet ist und so willkürlich religiöse Symbole zu verbieten, erscheint uns vor diesem Hintergrund verfassungswidrig, zumindest aber umstritten.
Mit dem Streit darüber, wann eine religiöse Kopfbedeckung die objektive Neutralität von Beamt:innen einschränkt oder nicht, geht auch der Streit einher, bei welchen Berufsgruppen die Neutralität durch derartige Symbole beeinträchtigt werden kann. So wurde etwa bei einer Lehrerin das Tragen eines Kopftuchs nicht grundsätzlich als Neutralitätsverstoß gewertet. Mit dem Gesetzentwurf werden nun jedoch pauschal alle Beamt:innen, egal wie und wo sie arbeiten, der Gefahr der willkürlichen religiösen Diskriminierung ausgesetzt.
Jurastudierende, die ein Kopftuch oder andere religiöse Symbole tragen, sorgen sich schon heute um ihre Zukunft. Es muss viel eher das Ziel sein, diesen Betroffenen ihre Sorgen zu nehmen, anstatt sie zu intensivieren – vor allem dann, wenn wir unser Grundgesetz ernst nehmen wollen. Aufgrund dessen, dass der Entwurf zu § 61 Abs. 2 BBG jedoch staatlichen Behörden Möglichkeiten zur religiösen Diskriminierung eröffnet, lehnt der BRF diesen ab.