Januar. 2021
Sehr geehrter Herr Minister Thümler,
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen des Entwurfes eines Gesetzes zur Stärkung der differenzierten Hochschulautonomie, den die Landesregierung am 03.11.2020 zur Verbandsbeteiligung freigegeben hat, wurden zahlreiche Änderungen des niedersächsischen Hochschulgesetzes vorgesehen. Dabei mussten wir überrascht feststellen, dass versäumt wurde, den Fehler der vergangenen Legislaturperiode zurückzunehmen, das Diplom für Studierende der Rechtswissenschaften in Niedersachsen abzuschaffen. Stattdessen wird nicht einmal der zeitliche Faden verlängert, an dem die Vergabe eines akademischen Titels für Jurastudierende seitdem hängt. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Beteiligungsstruktur innerhalb der Hochschulen wurde § 8 Abs. 1 NHG 2015 dahingehend geändert, dass Hochschulen keinen Diplomgrad für ihre Absolvent:innen mehr verleihen durften. Das Diplom für Studierende der Rechtswissenschaften wurde in die Übergangsregelungen von § 72 Abs. 3 S. 2 NHG verschoben und verweist dort weiterhin auf den gesetzlichen Zustand vor dem 31.12.2015. Dieser unbefriedigende Zustand gilt bis heute.
Ungeachtet der damaligen Stellungnahmen der Universität Osnabrück oder des Deutschen Hochschulverbandes, begründete das MWK dies mit der nahezu vollständigen Umstellung auf Bachelor und Masterabschlüsse. Später führte das MWK aus, dass keine Schutzpflicht des Gesetzgebers für einen akademischen Titel bestehe und dies die Berufszugangssituation nicht erschweren würde. Gleichwohl ist das rechtswissenschaftliche Studium auch heute noch nicht auf Bachelor- Master umgestellt und das Diplom bis heute der einzige akademische Grad, der Studierenden der Rechtswissenschaften mit Abschluss der 1. Juristischen Prüfung verliehen werden kann. Gleichzeitig ist das Diplom sehr wohl für Studierende der Rechtswissenschaften ein wichtiger Faktor in Bezug auf Berufschancen auf dem stark umkämpften Arbeitsmarkt der Jurist:innen.
Ein Titel, der von einer Universität verliehen wird, erleichtert Arbeitgeber:innen die Einschätzung über die juristischen Fähigkeiten der Person, die sich bewirbt. Gerade ein Titel wie das Diplom bietet hier, im Gegensatz zu Bezeichnungen wie „geprüfte:r Rechtskandidat:in“ o.ä. einen hohen Wiedererkennungswert. Im europäischen Ausland erwerben Absolvent:innen des Jurastudiums einen akademischen Grad, der offiziell geführt werden darf. In den meisten Ländern wäre dies ein Master, ein LL.M. oder vergleichbares. Bewerber:innen ohne Diplom könnten aus Unwissenheit oder auch nur aus Versehen aufgrund des fehlenden akademischen Grades als nicht qualifiziert eingestuft werden und so von vornherein schlechtere oder keine Chancen in Bewerbungsprozessen haben. Das Diplom bietet Absolvent:innen aus Niedersachsen in internationalen Bewerbungsverfahren bessere oder zumindest gleichgestellte Chancen.
Das Diplom hat nach wie vor einen hohen Stellenwert
Ihr Parteikollege Jörg Hillmer hat in seiner Rede im niedersächsischen Landtag am 5. April 2017 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Titel Diplom-Jurist:in die bundesweit einheitliche Lösung ist und gerade Niedersachsen hier einen eigenwilligen Sonderweg beschreiten wollte. Er hat dabei den Vorschlag der FDP-Fraktion begrüßt die ursprüngliche Regelung wieder aufzunehmen. Diese ist damals leider nicht Gesetz geworden.
Die Abschaffung des Diploms hat zur Folge, dass Studierende nach Abschluss ihrer ersten Staatsprüfung keinen Titel führen können, der die Leistung von 5 Jahren Studium adäquat widerspiegelt. Zwar kann nach § 10 Abs. 1 NJAG für das Bestehen der zweiten Staatsprüfung der Titel „Assessorin“ bzw. „Assessor“ verliehen werden. Dieser Titel wird jedoch lediglich für den juristischen Vorbereitungsdienst (Referendariat) verliehen, also für einen nicht wissenschaftlich orientierten, sondern praktisch ausgerichteten Ausbildungsabschnitt. Für eine wissenschaftliche Leistung wie das Universitätsstudium keinen Titel zu verleihen, dies jedoch für einen Vorbereitungsdienst zu gewähren, ist widersprüchlich. Dabei lässt sich der Titel „Assessor:in“ ebenso wenig in das Bachelor- Mastersystem einordnen, wie das Diplom.
Zumal die Zweite juristische Prüfung eben nicht mehr für alle Studierenden der Rechtswissenschaften der Regelabschluss ist. Mittlerweile hat sich auch der Arbeitsmarkt für Jurist:innen verändert, sodass es nicht nur in der Wirtschaft einen Markt gibt für jene, die ausschließlich die Erste juristische Prüfung absolviert haben. Mit dem Diplom erwerben die Studierenden der Rechtswissenschaft die Voraussetzung für die 2. Laufbahngruppe, 1. Einstiegsamt (früher gehobener Dienst) i.S.d. § 24 Abs. 1 S. 1 NLVO. Immer mehr Verwaltungen gehen dazu über, auch Diplom-Jurist:innen einzustellen. Die anderen Bewerber:innen für diese Stellen haben üblicherweise die akademischen Grade Diplom-Verwaltungswirt:in (FH), DiplomFinanzwirt:in (Steuerakademie Niedersachsen) sowie der B.A. (Kommunale Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen). Warum einer Person mit abgeschlossenem Jurastudium trotz vergleichbarer Qualifikation kein akademischer Grad zugutekommen soll, ist unverständlich.
Die Vergabe des Diploms nach der Ersten juristischen Prüfung würde also gerade jenen Personen Sicherheit bieten, die nicht noch die Zweite juristische Prüfung absolvieren möchten oder können. Die Verleihung des Titels Diplomjurist:in bietet vielen Studierenden der Rechtswissenschaften eine berufliche Flexibilität, die mit der Beibehaltung der Abschaffung und dem Auslaufen der Frist verloren gehen würde.
Die Übergangsregelung schafft keine Planungssicherheit
Auch ihr Koalitionspartner hatte damals bereits betont, dass rechtswissenschaftliche Studierende in Niedersachsen nicht gegenüber anderen Bundesländern benachteiligt werden sollen und deshalb zunächst befristet das Diplom für Jurist:innen wieder einführen werde. Ziel war es eine langfristige alternative Regelung bzw. Bezeichnung in den Blick zu nehmen.
Leider müssen wir feststellen, dass dies nicht geschehen ist. Eine Debatte um eine Vollständige Umstellung des juristischen Studiums wird derzeit auf keiner Ebene aktiv geführt. Vielmehr halten auch andere Bundesländer weiter am Diplomgrad fest. Gleiches gilt für den Bundesgesetzgeber der mit § 18 Abs. 1 S. 3 HRG weiterhin die Verleihung eines Diploms erlaubt. Beispielswiese sehen die Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen in ihren Landesgesetzen auch weiterhin die Vergabe des Diploms vor.
Die Gestaltung der zu verleihenden Abschlussgrade darf nicht getrennt von der materiellen Gestaltung des Studiums erfolgen. Dabei muss gelten: Die Regelung über die Abschlussgrade folgt der materiellen Anpassung des Studiums – nicht umgekehrt. Genau das ist in Niedersachsen aber geschehen. Studierende der Rechtswissenschaften sitzen so zwischen den Zuständigkeiten des MWKs und der Justizministerien. Es wäre daher geboten gewesen, Änderungsalternativen zu erwägen, die den Zustand vor der NHG-Novelle von 2015 wiederherstellen. Dabei hatte man bereits 2017 versichert, dass für die Studierenden in Niedersachsen Rechtssicherheit und Planungssicherheit gelten werde und die Übergangsregelung auch verlängert werde.
Wir müssen feststellen, dass auch dies im Gesetzentwurf nicht vorgesehen ist. Weder werden Änderungsalternativen vorgeschlagen, noch wird Planungssicherheit gewährleistet. Stattdessen wird die Frist mit der, für den Studiengang Lebensmittelchemie gleichgesetzt. Ein Studiengang der ausweislich § 6 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 sowie Abs. 4 Nr. 2 APVO-LMChem bereits auf ein Bachelor- Mastersystem umgestellt ist und für den eine letzte Übergangsfrist daher wohl sinnvoll erscheint. Für Studierende der Rechtswissenschaften fehlt bereits dieser Übergangscharakter und erst recht die versprochene Planungssicherheit:
Wer sein Studium in diesem Wintersemester aufgenommen hat, könnte, bei Einhaltung der Regelstudienzeit gem. § 5d Abs 2 S. 1 DRiG, abhängig vom Prüfungsdurchgang gerade noch von der derzeitigen Übergangsfrist erfasst sein. Allerdings darf der akademische Titel kein Bonus für die Studierenden sein, die ihr Studium in Regelstudienzeit ablegen. Insbesondere, wenn die durchschnittliche Studienzeit ausweislich des Jahresberichts des Präsidenten des Landesjustizprüfungsamts 12,25 Semester beträgt. Studierende, die in diesem Jahr ihr rechtswissenschaftliches Studium aufgenommen haben, schließen dieses durchschnittlich 2026 ab. Sie sind daher schon jetzt nicht mehr von der Übergangsregelung erfasst. Darin können wir keine Planungssicherheit erkennen. Wir müssen nachdrücklich darauf hinweisen, dass eine auslaufende Übergangsregelung, die Studierende in Niedersachsen vom rechtzeitigen Handeln des Gesetzgebers abhängig macht, keine nachhaltige Lösung sein kann. Was 2017 eine erste Kompromisslösung war, ist drei Jahre später bereits ein schlechter Zustand, der eine vorausschauende Lösung des Gesetzgebers erfordert.
Die Argumente der zuständigen Landesregierung 2017 haben weiter an Gültigkeit verloren
Der Übergangscharakter, den § 72 Abs. 3 S. 2 NHG ausdrücken sollte, ist keiner. Eine tatsächliche Diskussion über die Umstellung des juristischen Studiums auf ein Bachelor- Mastersystem zeichnet sich weder ab, noch würde sie in den nächsten Jahren vollzogen werden. Erst wenn sie vollzogen wurde, sollte anschließend eine Übergangsregelung gefunden werden, nicht zuvor. Insbesondere, wenn der Gesetzgeber trotz der Streichungen des Diploms in § 6 Abs. 3 Nr. 3 NHG weiter an dem Diplom festhalten will, sobald es um dessen Vergabe für Rechtspfleger:innen geht, § 53 Abs. 1 S. 3 NHG. Das NHG erkennt Ausnahmen von der allgemeinen Umstellung auf ein Bachelor- Mastersystem an; aus guten Gründen. Es sind aber keine Sachgründe ersichtlich, weshalb „geprüfte Rechtskandidat:innen“ nur auf eine, bereits bei durchschnittlicher Studienzeit auslaufende Übergangsregelung verwiesen werden, während für „geprüfte Rechtspfleger:innen“ ein Sondertatbestand gefunden werden kann.
Der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. hat sich in § 4 seines Grundsatzprogrammes zum Ziel gesetzt, dass allen Absolvent:innen der Ersten juristischen Prüfung die Möglichkeit eingeräumt werden soll, auf Antrag den Titel „Diplom-Jurist“, “DiplomJuristin” oder einen gleichwertigen akademischen Titel verliehen zu bekommen. Diese Position vertreten die drei rechtswissenschaftlichen Fachschaften Niedersachsens sowie 39 weitere Fachschaften im gesamten Bundesgebiet.
Wir möchten daher unserer Forderung Nachdruck verleihen, dass der Fehler der Übergangsregelung aus 2015 bzw. 2017 zu beheben ist und ein nachhaltiger Zustand an diese Stelle treten muss. Die Formulierung des Nordrhein-westfälischen-Gesetzgebers erscheint uns dabei zielführend, da er sowohl den fortschreitenden Bolognaprozess abbildet als auch im Einzelfall Gestaltungsspielräume zulässt „Andere akademische Grade kann die Hochschule nur in besonderen Fällen verleihen“.
Mindestens scheint aber die Verlängerung der Übergangsfrist auf 2030 geboten, um die versprochene Planungssicherheit für Studierende zuverlässig zu gewährleisten.