Dass die juristische Ausbildung reformbedürftig ist, zeigen mittlerweile zahlreiche Erhebungen und nicht zuletzt der Fachkräftemangel in der Justiz. Eine Reform des Jurastudiums wird von vielen Seiten gefordert, was insbesondere auch die Ergebnisse der iur.reform-Studie zeigen. Auf Bundesebene wurde zuletzt 2019 die Regelstudienzeit auf zehn Semester erhöht und 2021 die Schlüsselkompetenzen erweitert. Doch an der mittlerweile 150 Jahre alten Ausbildungsstruktur wurden und werden nur marginale Veränderungen vorgenommen. Die einzige umfangreichere Neuerung erfolgte 2003 mit Festigung der Spezialisierungsmöglichkeiten in freiwilligen Wahlkursen durch Einführung des Schwerpunktbereichsstudiums.
Doch der Unmut über die Jurist:innenausbildung ist nach wie vor groß. Deutlich wird dies durch die Ergebnisse der jüngsten bundesweiten Absolvent:innenbefragung: Demnach sind etwa ein Drittel der Jurastudierenden unzufrieden bis sehr unzufrieden mit Aufbau und Verlauf des Studiums insgesamt. Über 55% bewerten den Prüfungsdruck als extrem hoch; weitere 35% als sehr hoch. Nur 6,2 % geben an, dass die Hochschule sie gut auf die staatliche Pflichtfachprüfung vorbereitet habe; dagegen fühlen sich 23,8 % überhaupt nicht vorbereitet. Dies resultiert schließlich darin, dass nur etwa 38 % das Jurastudium an ihrer Hochschule weiterempfehlen würden; 34 % würden keine Empfehlung aussprechen. Und diese Zahlen spiegeln nur die Meinung der aktiven Studierenden oder Absolvent:innen wider. Außer Acht gelassen werden dabei die 24 % der Studierenden, die ihr Studium vorzeitig abbrechen. Ein Viertel dieser Studienabbrüche findet erst nach dem zehnten Semester statt.
Aus diesen Gründen sollte die juristische Ausbildung von Grund auf neu gedacht werden, anstatt weiter auf einem gescheiterten System aufzubauen. In seiner bisherigen Vereinsgeschichte trat der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. überwiegend reaktiv auf, indem er sich zum aktuellen ausbildungspolitischen Geschehen äußerte. Über die Jahre haben sich zudem einige Kernforderungen entwickelt, die sich gebündelt im Grundsatzprogramm wiederfinden, darunter auch die bundesweite Einführung eines integrierten juristischen Bachelor-Abschlusses.
Auf der Bundesfachschaftentagung 2017 in Mannheim wurde erstmals der Versuch unternommen, als BRF eigene Ausbildungsmodelle zu entwickeln, diese waren jedoch sehr rudimentärer Natur. Auf der Bundesfachschaftentagung 2022 in Hamburg wurde erneut ein Workshop zur Erarbeitung eines alternativen Ausbildungsplans veranstaltet, um diesmal ein detaillierteres Modell zu kreieren. Aus diesem Workshop heraus bildete sich eine gleichnamige Projektgruppe, die von der Mitgliederversammlung im Juni 2022 eingesetzt wurde. Über das vergangene Jahr hinweg hat die Projektgruppe, basierend auf den Workshopergebnissen, diesen alternativen Ausbildungsplan erstellt. Ziel des Workshops auf der diesjährigen Bundesfachschaftentagung ist es nun, das bestehende Modell weiter auszuarbeiten.
Zitiervorschlag:
[BRF/De Rosa/Gundert/von Krause, Gutachten 2023: Reform des Jurastudiums (Teil II), S. 1-19]